04 Mai Artikel aus Fachzeitschrift Hund Katze Pferd
Ursache und Therapie von Stomatitiden
Achtung Verwechslungsgefahr!
Stomatitis ist eine Entzündung der Mundschleimhaut, der Mukosa, und wird deshalb auch als Mukositis bezeichnet. Inflammationen der Schleimhaut können lokal an Lippe, Zunge, Gaumen, Oropharynx oder Backe auftreten und werden entsprechend ihrer Lokalisation in der Mundhöhle als Cheilitis, Glossitis, palatinale, caudale und bukkale Mukositis bezeichnet [1].
In vielen Fällen begegnen wir der Mukositis jedoch in ihrer generalisierten Form in Kombination mit Gingivitis und Parodontitis. Der Terminus „Stomatitis“ hat sich mittlerweile überwiegend zur Bezeichnung der generalisierten Mukositis bei Gingivo-Parodonto-Stomatitis etabliert. Alle Formen von Stomatitis/Mukositis sind schmerzhafte Prozesse, die die Lebensqualität der Patienten signifikant beeinträchtigen und deshalb konsequent aufgearbeitet und therapiert werden müssen [2]. Die Gingiva wird als gering verhorntes Epithel vom nicht verhornten Plattenepithel der alveolären Mukosa durch die Muko-Gingival-Linie getrennt, wie auf Abbildung 1 aufgrund des unterschiedlichen Pigmentgehaltes gut zu erkennen ist.
Systemisch bedingte Stomatitis/Mukositis
Aufgrund ihres Reaktionsmusters und der hohen Zellteilungsrate ist die Mundschleimhaut häufig Manifestationsort systemischer Erkrankungen und wir können bei einer großen Zahl von Äthiologien Veränderungen der oralen Mukosa sehen: bei bakteriellen und viralen Infektionen (u.a. Leptospirose, Calicivirusinfektionen, FeLV Infektionen), Intoxikationen (u.a. Quecksilber- und Bleivergiftungen), metabolischen Erkrankungen (u.a. Niereninsuffizienz, Diabetes mellitus), Autoimmunerkrankungen (u.a. Pemphigus vulgaris), hämatologischen Erkrankungen (u.a Panzytopenie), Neoplasien (u.a. Multiples Myelom, Plattenepithelkarzinom, Mucosis fungoides), Malnutrition (u.a. Cobalamin- und Folsäuremangel), Hypersensitivität (u.a. Futtermittel) und toxischen Arzneimittelreaktionen [1]. Es sollte dem Arzt/Tierarzt/Untersucher stets bewusst sein, dass das klinische Erscheinungsbild der systemisch bedingten Mukositisformen meist sehr ähnlich und eine diagnostische Aufarbeitung notwendig ist. Die orale Mukosa als leicht zugänglicher Abschnitt des Magen-Darm-Traktes sollte daher fester Bestandteil jeder klinischen Allgemeinuntersuchung sein (Abb. 2).
Fokale Stomatitis/Mukositisformen
Neben den systemischen Mukositiden werden in der Kleintierpraxis häufig Patienten mit fokaler Stomatitis der alveolären, bukkalen, palatinalen oder caudalen Mukosa der Mundhöhle vorgestellt. Meist sind Dentalerkrankungen der Auslöser für immunmediierte Inflammationen der Mundschleimhaut, die durch die Dysfunktion des Immunsystems charakterisiert ist, auf plaqueassoziierte Keime adäquat lokal reagieren zu können [1–4].
// Fokale Kontaktstomatitis: Sehr häufig begegnen uns Patienten mit fokaler Kontaktstomatitis an einzelnen Zähnen, bei der die Ulzerationen der Wangen- und Zungenmukosa an Kontaktstellen mit Zahnoberflächen liegen, vor allem an parodontal geschädigten Fang- und Reißzähnen (Abb. 3a + 3b).
// Chronisch ulzerative paradentale Stomatitis – CUPS: Als eigenständiges Krankheitsbild wird die chronisch ulzerative paradentale Stomatitis (CUPS) angesehen [1, 2, 3], die beim Scotch Terrier, Malteser oder English Cocker Spaniel gehäuft vorkommt. Die Erkrankung ist dadurch gekennzeichnet, dass sie an multiplen Stellen auftritt (Abb.4). Als Ursache für die chronisch ulzerative paradentale Stomatitis wird ebenfalls die lokale Dysfunktion des Immunsystems angesehen [3]. Osteomyelitis ist eine gefürchtete Komplikation der chronisch ulzerativen paradentalen Stomatitis und kann über die initial auftretende akut nekrotisierende ulzerative Gingivitis (ANUG) zur Knochennekrose führen (Abb.5). Besonders Terrier, unter diesen vor allem Scotch Terrier, scheinen für die nekrotisierende Form prädisponiert zu sein [3], die insbesondere nach Applikation von Glucocorticoiden beobachtet wurde. Der Einsatz von Glukokortikoiden ist deshalb bei der chronisch ulzerativen paradentalen Stomatitis kontraindiziert.
// Eosinophile Mukositisformen: Fokale Stomatitiden treten als rassespezifische lokale eosinophile Entzündungsformen mit typischem Erscheinungsbild beim Cavalier King Charles Spaniel im Bereich der caudalen palatinalen Mukosa auf und beim Sibirian Husky lateral oder ventral der Zunge [5] (Abb.6). Fokale eosinophile Stomatitiden sehen wir in der Kleintierpraxis häufiger bei der Katze (Abb.7). Die generalisierte Gingivo-Parodonto-Stomatitis der Katze ist ebenfalls eine ausdehnte Mukositis in nahezu allen Lokalisationen der oralen Gingiva und Mukosa und bezieht neben der Gingiva und dem Parodont die caudalen Bereiche im Kieferwinkel mit ein (Abb.8). Auch hier liegt der Erkrankung eine inadäquate Immunantwort mit klinisch charakteristischem Erscheinungsbild zugrunde. Die Ursachen sind vermutlich multifaktoriell und bisher nicht eindeutig geklärt.
Diagnostik und Biopsie
Die äthiologische Einschätzung einer vorliegenden Stomatitisform ist in manchen charakteristischen Fällen, z.B. bei der fokalen Kontakt-Stomatitis, durch das klinische Bild möglich. In den meisten anderen Fällen kommen wegen des ähnlichen klinischen Bildes etliche Differentialdiagnosen in Betracht, sodass die diagnostische Aufarbeitung der Stomatitispatienten die korrekte Entnahme repräsentativer Biopsien mit einschließt, um gegebenenfalls eine spezifische Therapie einleiten zu können. Biopsien in der Maulhöhle werden im Gegensatz zu anderen Organen im Zentrum der Läsion entnommen, um im Falle eines neoplastischen Geschehens die Biopsiestelle mitentfernen zu können. Eine bakteriologische Untersuchung ist in der Regel nicht sinnvoll, da ohnehin eine gigantische Mischflora gerade auch mit Anaerbiern vorliegt, deren korrekte labortechnische Abbildung meist nicht möglich ist.
Therapie
Oberstes Ziel muss eine dauerhafte Bakterienreduktion sein. Die meisten Stomatitiden werden durch Dentalerkrankungen verursacht oder exazerbiert. Es ist deshalb neben einer möglichst spezifischen Therapie essenziell, einen kompletten stomatologischen Untersuchungsgang und einen Dentalröntgenstatus zu erheben, eine fachlich korrekte und gründliche professionelle Parodontalbehandlung (supragingivales Scaling, subgingivale Kürettage, Glättung der Wurzeloberfläche, Spülung der Taschen, Politur) sowie selektive Zahnextraktionen erkrankter Zähne durchzuführen. Dies gilt für Hunde- und Katzenpatienten gleichermaßen. Ein in der Tierzahnheilkunde noch relativ neuer Therapieansatz ist die photodynamische Therapie (PDT) mit dem Diodenlaser, für die jedoch noch keine wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweise vorliegen. Bei der PDT wird eine photosensitive Substanz, z.B. der nichttoxische Farbstoff Indocyaningrün, auf zuvor professionell parodontal behandelte Bereiche aufgetragen und anschließend mit Laserlicht einer definierten Wellenlänge bestrahlt und damit aktiviert. In Anwesenheit von Sauerstoff entstehen hochreaktive Sauerstoffspezies, (z.B. Singulettsauerstoff), die toxisch auf Bakterien wirken, jedoch die körpereigenen Zellen nicht schädigen sollen [6].
Medikamentelle Therapie
Bei fortgeschrittener Parodontitis, Immunschwächung, schlechtem Allgemeinbefinden oder bekannten Organerkrankungen ist der Einsatz von geeigneten Antibiotika sinnvoll, jeweils einen Tag präoperativ und drei bis vier Tage postoperativ. Die analgetische Behandlung bis zur Abheilung der Läsionen ist für alle diese Patienten selbstverständlich.
Pro und contra Cortison
Nach Vorliegen des Biopsieergebnisses kann sich gegebenenfalls zusätzlich eine gezielte Therapie anschließen. Bei fokaler eosinophiler Stomatitis, wie sie z.B. bei den Rassen Cavalier King Charles und Sibirian Husky vorkommt, kann neben der genannten Parodontalbehandlung eine Therapie mit Prednisolon in antiinflammatorischer bis schwach immunsupprimierender Dosis sinnvoll sein (initial 0,5–1.0mg/kg Prednisolon sid oral), während im Gegensatz dazu bei der chronischen ulzerativen paradentalen Stomatitis (Terrierrassen, besonders Scotch Terrier) die Gabe von Immunsuppressiva kontraindiziert ist und zu Knochennekrosen führen kann.
Gute Behandlungserfolge durch gute Compliance
Alle genannten Maßnahmen dienen der Reduktion der Bakterienlast in der Maulhöhle. Es ist deshalb außerordentlich wichtig, die Zusammenhänge dem Tierbesitzer klar und verständlich zu kommunizieren, um eine optimale Compliance zu erreichen. Nur eine konsequente und kontinuierliche Reduktion der bakterienbeladenen Plaque im Sinne geeigneter häuslicher Pflege durch Zähneputzen, Chlorhexidinspülungen etc. wird helfen können, die Erkrankung mittelfristig zu kontrollieren. Ist die gewissenhafte tägliche Mundhygiene durch den Tierbesitzer nicht zu gewährleisten, können zur Keimreduktion in der Maulhöhle entweder die Parodontalbehandlungen in kürzeren Abständen wiederholt oder/und weitere Zahnextraktionen vorgenommen werden.
take home
Grundsätzlich sollten wir uns darüber bewusst sein, dass die Mundschleimhaut häufig Manifestationsort systemischer Erkrankungen ist, wobei jedoch die Detektion von Mukosaläsionen durch gleichzeitig vorliegende Zahnerkrankungen erschwert sein kann. „Die Stomatitis“ gibt es also nicht. Biopsien sollten in den meisten Fällen entnommen werden, da sich die Stomatitisformen klinisch sehr ähneln (vgl. Abb.9 + 10). Erst durch die exakte Gewebediagnose werden Fehlinterpretationen vermieden und angemessene spezifische Therapien neben der fachkundig und korrekt durchgeführten Parodontalbehandlung möglich.
Literatur bei der Autorin
Fotos: © Dr. Martina van Suntum
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